Die Ursprünge

Die Urheimat unserer Familie ist der stattliche Bauernhof mit dem Hausnamen „Reinhartshub“ in der Ortschaft Keuschen, Gemeinde und Pfarrei Mondsee, bis 1759 Salzburgisches Lehen und zur Gemeinde Thalgau, bis 1788 auch zur Pfarre Thalgau gehörig. Als der bisher älteste Beleg über diesen Stammhof kann das Salzburger Urbar 3 „Außer Gebirg“ (1348 – 1400) betrachtet werden. Das Urbarium galt zu der damaligen Zeit als das gängige Grund-, Grundsteuer- und Hypothekenbuch. Auf Seite 27 unter Nummer 39 ist der ursprüngliche recht allgemein gehaltene Eintrag „an der Hueb“ zu ersehen (Bild). Daraus muss geschlossen werden, dass zum Zeitpunkt der Aufstellung der Liste die „Hueb“ noch keinen Hausnamen hatte. Erst später wurde links daneben „Reinoltzhueb“ dazugeschrieben. Vielleicht auch, um eindeutig klarzuzustellen, von welchem Gut die festgesetzten weltlichen Abgaben in Form von 10 Maß Weizen und 2 Schäffel Hafer zu leisten waren. Die anderen handschriftlichen Zusätze beziehen sich auf  die Besitzverhältnisse über einen Zeitraum von etwa 50 Jahren.

Von welcher Herkunft waren die ersten Besitzer dieses Gutes?

Die Antwort ist eindeutig – es handelt  sich um Siedler aus Bayern! Dafür sprechen folgende Indizien:

  • der Hausname: „Reinoltshueb“ leitet sich aus Reynold’s Hube (Hube des Reynold) her, wobei Reynold oder Reinhold ein gängiger Vorname und Hube (süddeutsch) bzw. Hufe (norddeutsch) eine im Frühmittelalter verwendete Lehenseinheit zur Aufteilung landwirtschaftlicher Flächen war, s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Hufe
  • das Grundstück: das Einzelgehöft – ungünstig nahe bei einem Gewässer gelegen (Überschwemmungen, steinige Böden) aber mit zwei „Mutlehen“ Land ziemlich groß bemessen (über 4 ha Ackerland) – ist ein typisches Zeugnis der spätbayrischen Siedlungswelle (11.-14. Jhd.). Denn über Jahrhunderte ist bereits gutes Kultur- und Neuland von bayrischen Siedlern in Besitz genommen worden, so dass dann nur noch weniger wertvolle landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung standen.
  • der Gau: Das Gut liegt nahe der Ortschaft Thalgau. Gaue wurden in Zusammenhang mit der bayrischen Landnahme von den Agilolfingern als Wirtschafts- und Verwaltungsbezirke gegründet. Unter Thal ist das Tal der Fuschler Arche gemeint.

Wann dürfte die Reinoltzhueb entstanden sein?

Wie erwähnt, gab es im Jahre 1348 wohl die bereits grundbuchmäßig erfasste „Hueb“ – also ein als Lehen vorgesehenes oder bereits abgestecktes vielleicht teilweise gerodetes Grundstück. Aber ein Gehöft bestand noch nicht oder war erst später in Errichtung begriffen. Im Salzburger Urbar 1 „Steuerbuch – Ämter vor dem Gebirge“ (1331 – 1385) werden Personen, die mit unserer Hube in Beziehung stehen könnten, nicht erwähnt. Möglicherweise, weil nicht alle Neuzugänge wegen des unruhigen Siedlungsgeschehens konsequent erfasst worden sind? Mit einiger Sicherheit kann aber der Schluss gezogen werden, dass das Anwesen bereits wenige Jahre nach 1348 dauerhaft bewohnt wurde, nämlich zunächst von Henricus mit seiner Frau und drei Töchtern.

Wie könnte das Bauerngehöft ursprünglich ausgesehen haben?

In Zusammenhang mit der Kolonialisierung mussten die bajuwarischen Siedler auch grundlegende Kenntnisse über den Bau ihrer landwirtschaftlichen Gehöfte einbringen. Ausschlaggebend war dabei sowohl ein einfaches Konzept, das weitgehend mit eigenen Arbeitskräften unter gelegentlicher Anleitung verwirklicht werden konnte, als auch das Vorhandensein aller benötigten Materialien in unmittelbarer Nähe zur Baustelle. Deshalb herrschten im damaligen bajuwarischen Siedlungsraum weitgehend einheitliche Haustypen vor – im Flachgau war der sogenannte Einhof in Ständerbauweise verbreitet, wo ebenerdig Wohn-, Tenn- und Stallteil unter einem Dach vereint sind. Auf Steinfundamenten senkrecht stehende Holzpfosten stellen dabei das tragende System des rechteckigen Gebäudes dar. Diese werden über Pfetten, Dachsparren und Stirnhölzer so miteinander verbunden, dass diese nicht umfallen. Die Häuser hatten meist eine Breite bis zu 6 Metern, die Länge konnte mehr als 20 Meter betragen. Die Grundfläche wurde fallweise durch Seitenschiffe an einer oder beiden Längsseiten vergrößert und zur Lagerung von Holz und Gerät verwendet. Die Wände bestanden im Wohnbereich aus Spaltbohlen, im Stallbereich aus Flechtwerk jeweils mit Lehm abgedichtet. Die Verwendung von Stroh oder Schilf zur Eindeckung machte eine steile Neigung des Satteldaches erforderlich, so dass Firsthöhen von durchaus mehr als 6 Metern erreicht werden konnten. Der Boden bestand aus gestampftem Lehm. Eine zentrale Feuerstelle befand sich im Wohnbereich. Getreide wurde im durch eine Zwischendecke getrennten Speicher unterm Dach eingelagert und Lebensmittel draußen in gedeckten kühleren Erdgruben aufbewahrt. Zu einem – manchmal je nach Sicherheitslage auch umzäunten – Bauerngehöft gehörten in der Regel wenigstens zwei derartiger Wohn-/Stall-Bauten, mehrere Grubenhäuser und ein Brunnen (s.a. Zeichnung: Flachgauer Einhof)).

Wie könnte der Hausname hergeleitet werden?

Als die Gebäude fertig gestellt und von der Familie samt Gesinde bezogen waren, musste wie damals üblich das Anwesen auch einen Namen erhalten. Denn die Identität von Besitzer und Besitz gehörte zum typischen Siedlungsbild der Landnahme. Der Hausname war wichtig, um einerseits Rechte, Lehen, Dienstleute und Hörige eindeutig zuordnen sowie andererseits Steuern/Abgaben einziehen bzw. Dienstleistungen für den Grundherrn/Landesherrn erbringen zu können. Über die Namensgebung lassen sich nur Vermutungen anstellen: der erste Besitzer könnte den Vornamen seines Vaters oder den eines Vorfahren auserkoren haben, um ihn auf solche Weise zu würdigen. Bis heute ist der Hausname „Reinhartshub“ erhalten geblieben.

Die Reinhartshub heute

Die Liegenschaft befindet sich im Tal der Fuschler Arche zwischen zwei Bergzügen, nämlich dem Kolomannsberg (1114 m) im Norden und dem Schober (1329 m) im Süden. Sie liegt an der Strasse zwischen Thalgau und Mondsee und zwar genau an der Grenze der Bundesländer Salzburg und Oberösterreich – auf oberösterreichischer Seite.

Die Besitzerreihe dieses bäuerlichen Anwesens lässt sich von Hunricus über Josef Nußpaumer vulgo Reinoltzhueber,  s. a. “Wieder ein Besitz”, bis heute lückenlos verfolgen. Allerdings sind heute die Namen der Eigentümer nicht mehr identisch mit dem Hausnamen. Denn der ortsansässige Wolfgang Schwertl heiratet im Jahre 1708 Gertrud Reinetzhueber (die Schreibweise des Namens ist immer wieder verändert worden). 1967 gab es dann nochmals einen Namenswechsel der Besitzer zu Brandstätter.

Im Laufe der Zeit sind die Wohn- und Nebengebäude den jeweiligen Erfordernissen entsprechend angepasst worden. So ist 1865 ein großes neues Wohnhaus errichtet worden, 1968 wurde der Stall erweitert und 1979 altersbedingt anstelle des vorherigen ein neues Wohngebäude gebaut. Weil das Gut mindestens 200 Jahre ununterbrochen im Familiebesitz gestanden hat, ist am Haus gut sichtbar eine Tafel angebracht, aus der hervorgehrt, dass es sich um einen „ERBHOF“ handelt.